Numismatik-Grundwissen: So bestimmen Sie die Erhaltung einer Sammlermünze

Auf der Suche nach einem numismatischen Schatz bei Auktionshäusern oder in Internetportalen können insbesondere Münz-Neulinge leicht den Überblick verlieren: Ein identisches Motiv wird mit Preisunterschieden von hunderten oder gar tausenden Euro angeboten, neben den Jahreszahlen und Motivbezeichnungen gibt es noch kryptische Codes wie “ss” oder “stgl”. Wer in der Welt der Numismatik nicht unnötig Geld ausgeben will, sollte diese Geheimsprache kennen, denn damit bezeichnen Experten die Erhaltung einer Münze.

In Deutschland hat sich seit Jahrzehnten ein unkompliziertes Stufensystem für die Erhaltungsgrade einer Münze etabliert: Die geringste sammelwürdige Erhaltung wird als “sehr schön” bezeichnet, bessere Stücke erhalten die Beschreibung “vorzüglich”. Unzirkulierte Münzen erhalten die Bestnote “Stempelglanz”. Zwischen diesen drei Kategorien sind auch Zwischenstufen möglich, weit verbreitet ist beispielsweise “vz-stgl” für Münzen mit einem leichten Prägeglanz, aber deutlich sichtbaren Umlaufspuren. Außerdem gibt es für stark abgenutzte Münzen noch die Erhaltungsstufe “schön”, die jedoch üblicherweise nicht als sammelwürdige Erhaltung gilt.

Mit dem deutschen System kommen Anleger und Sammler außerhalb von Deutschland allerdings nicht weit: Insbesondere im englischsprachigen Raum wird stattdessen ein System verwendet, welches von 1 bis 70 reicht. Die so genannte “Sheldon”-Skala kommt vor allem bei professionellen Grading-Dienstleistern wie NGC oder PCGS zum Einsatz. Neben den Ziffern wird noch eine grobe Erhaltungskategorie genannt. Besonders begehrt sind alle Münzen in “Mint State”-Erhaltung, also unzirkulierte Münzen. Und je höher eine MS-Bewertung in der numerischen Skala landet, desto höher ist der Münzwert. Es kann durchaus vorkommen, dass zwischen einer Münze in MS65 und MS66 drei- oder vierstellige Beträge liegen.

Doch was macht eine Münze “vorzüglich”, was ist der Unterschied zwischen “schön” und “sehr schön” und wie erkennt man einen echten Stempelglanz? Die Unterscheidung ist eigentlich recht einfach: Als “sehr schön” werden Münzen eingestuft, welche längere Zeit im Umlauf waren und deutliche Abnutzungsspuren aufweisen – beispielsweise auf den freien Flächen oder erhöhten Elementen wie Buchstaben oder Reliefs. Deutliche Kratzer und Randschäden sind ebenfalls klare Hinweise auf eine “ss”-Bewertung. Als “vorzüglich” gilt eine Münze, wenn sie offesichtlich nur kurz im Umlauf gewesen ist und dabei lediglich einzelne leichte Beschädigungen oder Abnutzungsspuren davon getragen hat. Schimmert der ursprüngliche Metallglanz durch und fehlen Abnutzungsspuren gänzlich, erreicht die Münze die Spitzenerhaltung “Stempelglanz”. Daneben gibt es noch die Bezeichnung “Polierte Platte”, hierbei handelt es sich aber streng genommen nicht um einen Erhaltungszustand, sondern um eine Produktionsart. Dabei werden besonders polierte Ronden und Prägestempel eingesetzt.

In einer Zeit, in der auch historische Münzen immer stärker als Investment verstanden werden, bekommt die Erhaltung einer Münze eine besondere Bedeutung. Grundsätzlich gilt: Beim Investment sollten Münzfreunde wählerisch sein und lieber das Geld auf wenige Münzen in Top-Erhaltung setzen und darauf verzichten, Berge an Münzen mit deutlichen Umlaufspuren anzuhäufen. Bei deutschen Münzen vom Kaiserreich bis heute sollte nach Möglichkeit die “Stempelglanz”-Erhaltung angestrebt werden, bei besonders seltenen Jahrgängen oder Motiven kann auch eine vorzügliche Münze zu Anlagerzwecken interessant sein. Als problematisch hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass immer mehr Münzen in geringer Erhaltung aus Erbschaften auf den Markt geworfen werden und die Preise für normale Sammlermünzen aus Kaiserreich, Weimar oder der Bundesrepublik immer stärker unter Druck geraten. Münzen in Top-Erhaltung erreichen dagegen bei Auktionen auch heute noch Spitzenwerte und ziehen im Preis teilweise noch an. Es gilt also mehr denn je: auf Klasse statt auf Masse setzen.


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